KI, Energie und Ressourcenschutz: Chancen und Herausforderungen

In Zeiten des Klimawandels und begrenzter Ressourcen ist die Notwendigkeit, nachhaltige, friedvolle und effiziente Lösungen zu finden, dringlicher denn je. Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung dieser globalen Herausforderungen zu spielen, beispielsweise durch bessere Klimamodelle oder beim Ausbau erneuerbarer Energien. Doch gleichzeitig wächst die Besorgnis über den enormen Energieverbrauch von KI-Systemen selbst. Große KI-Modelle wie ChatGPT benötigen erhebliche Rechenressourcen, was zu einem signifikanten CO2-Fußabdruck führt.

Eine neue Studie zeigt, dass KI bis 2027 so viel Strom verbrauchen könnte wie die Niederlande in einem Jahr, also in etwa ein halbes Prozent des weltweiten Stromverbrauchs. Der Datenwissenschaftler Alex de Vries schätzt den Stromverbrauch von KI-Chips bis 2027 auf jährlich 85 bis 134 Terawattstunden. KI ist also Problem und Lösung zugleich. Das Forschungszentrum L3S befasst sich daher nicht nur mit den enormen Herausforderungen von KI, sondern auch mit dem Anwendungspotenzial: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des L3S entwickeln Lösungen, um KI energieeffizienter zu gestalten, und sie erforschen Einsatzmöglichkeiten beim Ausbau erneuerbarer Energien und im Umweltschutz.

Energieeffizienz von KI-Systemen

Insbesondere das Training großer neuronaler Netze erfordert enorme Rechenressourcen und damit eine beträchtliche Menge an Energie. Selbst das Training verhältnismäßig kleiner Large Language Models verbraucht schon ein Vielfaches dessen, was mehrere Autos in ihrer gesamten Lebenszeit an CO2 ausstoßen. Auch in der Inferenz brauchen Large Language Models rund 30 mal so viel Energie wie eine Suchanfrage bei Google. Doch es gibt vielversprechende Ansätze, um die Energieeffizienz von KI zu verbessern.

Am L3S entwickeln Wissenschaftler zum Beispiel automatisierte Green-ML-Methoden für Fahrerassistenzsysteme, die in immer mehr Autos verbaut sind. Diese Systeme optimieren den Energieverbrauch, indem sie nur die notwendigen Berechnungen durchführen und gleichzeitig eine hohe Genauigkeit beibehalten. Durch den Einsatz von Techniken des automatisierten maschinellen Lernens (AutoML) können diese Ansätze später auf andere Anwendungen übertragen werden. Ein weiteres spannendes Feld sind Hypersparse Neural Networks. Sie zielen darauf ab, nur die relevantes ten Gewichte von neuronalen Netzwerken zu lernen und so die Zahl der benötigten Operationen und damit den Energiebedarf zu senken. Dieser Bedarf lässt sich mit sogenannten binären neuronalen Netzen, die extrem leicht in Hardware zu realisieren sind, noch weiter senken. Teilweise sind hier Einsparungen von über 95 Prozent des Energieverbrauchs ohne Qualitätseinbußen möglich.

Die Entwicklung energieeffizienter Hardware-Beschleuniger für neuronale Netze steht im L3S Projekt ZUSE KI-Mobil im Mittelpunkt. Diese Beschleuniger sind speziell für den Einsatz in eingebetteten Anwendungen konzipiert und tragen dazu bei, den Energieverbrauch in mobilen und vernetzten Geräten zu senken.

KI im Einsatz für erneuerbare Energien

KI kann auch direkt zum Ausbau erneuerbarer Energien beitragen. So wird etwa im L3S-Projekt WindGISKI eine KI-basierte Plattform für geographische Informationssysteme (GIS) entwickelt, die Potenzialflächen für Windenergieanlagen ausweist. Die GIS-Plattform hilft dabei, die besten Standorte für Windkraftanlagen zu identifizieren und somit die Effizienz und den Ausbau der Windenergie zu maximieren.

Ein weiteres bemerkenswertes L3S-Projekt ist OffshorePlan, das sich mit der Baustellenlogistik für Windenergieanlagen beschäftigt. KI kann die Planung und Durchführung der Logistikprozesse optimieren, was nicht nur die Kosten senkt, sondern auch den ökologischen Fußabdruck der Bauprojekte reduziert.

Umwelt- und Ressourcenschutz durch KI

Neben der Förderung erneuerbarer Energien kann KI auch einen bedeutenden Beitrag zum Umwelt- und Ressourcenschutz leisten. Ein herausragendes Beispiel ist das L3S-Projekt SWIFTT (Satellites for Wilderness Inspection and Forest Threat Tracking), das KIgestützte Satellitendaten verwendet, um Bedrohungen für Wälder frühzeitig zu erkennen und entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Das L3S-Projekt GLACIATION zeigt, wie durch die Entwicklung eines verteilten Wissensgraphen die Effizienz der Big-Data-Analyse verbessert und dadurch Kohlenstoffemissionen reduziert werden können. Dieser Wissensgraph ermöglicht es, große Datenmengen effizienter zu verarbeiten und trägt so zur Verringerung des Energieverbrauchs bei.

Forschung am L3S

Das Forschungszentrum L3S arbeitet intensiv an der Schnittstelle zwischen KI, Energieeffizienz und Ressourcenschutz. Das Ziel ist, neue Methoden und Technologien zu entwickeln, die sowohl die Leistungsfähigkeit von KISystemen steigern als auch deren Energieverbrauch minimieren. Dabei deckt das L3S das gesamte Spektrum ab: von der Grundlagenforschung zu neuen Architekturen für neuronale Netze und spezialisierte Hardware über die effiziente Entwicklung neuer KI-Anwendungen mit AutoML bis hin zu KI Anwendungen für Nachhaltigkeit.

Die Potenziale von KI im Bereich der Energieeffizienz und des Ressourcenschutzes sind enorm. Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung und den gezielten Einsatz von KI-Technologien können wir nicht nur die Effizienz unserer Systeme steigern, sondern auch einen bedeutenden Beitrag zum Schutz unserer Umwelt leisten. Die in dieser Ausgabe der Binaire vorgestellten Projekte geben einen eindrucksvollen Einblick in die vielfältigen Möglichkeiten, wie KI zur Nachhaltigkeit beitragen kann.

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Bodo Rosenhahn

Bodo Rosenhahn ist Direktor am L3S und leitet das Institut für Informationsverarbeitung. Er forscht auf den Gebieten Computer Vision, Maschinelles Lernen und Big Data. 

Marius Lindauer

Prof. Dr. Marius Lindauer

L3S-Mitglied Marius Lindauer ist Leiter des Instituts für Künstliche Intelligenz und Professor für maschinelles Lernen an der Leibniz Universität Hannover