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Ausgabe 02/2023

KI-Sprachmodelle in der Medizin

Fragen Sie Ihren Arzt und Chatbot

Das Gesundheitswesen steht durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz vor einem Umbruch. In Zukunft - und teilweise schon jetzt - werden Krankheiten wie Krebs wesentlich schneller diagnostiziert und Patienten deutlich effektiver, weil personalisiert, behandelt werden können. KI in der Medizin wird vielen Menschen also viel Leid ersparen. Das L3S forscht dazu gemeinsam mit der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und Gastwissenschaftlern aus aller Welt im Internationalen Zukunftslabor für Künstliche Intelligenz und Personalisierte Medizin (siehe Binaire 1/2023). Neben der intelligenten Bildanalyse und der Mustererkennung in großen Datensätzen kommen jetzt die großen Sprachmodelle wie ChatGPT hinzu und eröffnen dem Gesundheitssystem zusätzliche Chancen. Sie können die unter Bürokratie und Informationsflut leidenden Ärzte und Pflegekräfte entlasten und aus Text- und anderen Daten einfache Berichte erstellen. Sprachmodelle können Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammentragen, zusammenfassen und sogar mit einer Suchmaschine vernetzen, wie das seit kurzem mit Microsoft Bing möglich ist. Der Vorteil: Die Suchmaschine berücksichtigt auch aktuelle Informationen, während ChatGPT allein auf den Stand seiner Trainingsdaten beschränkt ist und nur über Ereignisse und Wissen bis 2021 Auskunft geben kann. In Zukunft könnte es möglich sein, auf lokale Patientendaten (datenschutzkonform) genauso zuzugreifen wie auf weltweite Studienergebnisse. Diese Vernetzung von Sprachmodellen mit anderen Quellen steigert die Fähigkeiten der KI erheblich und ermöglicht das Grounding des Sprachmodells, also die Validierung und Erweiterung um Informationen aus dem Web und aus medizinischen Datenbanken – einschließlich des sicheren Zugriffs auf lokale Patientendaten mit Testresultaten, Zwischendiagnosen und Berichten des behandelnden Arztes.

Das enorme Potential von Sprachmodellen speziell für die Medizin liegt darin, dass Ärzte auf alle relevanten Informationen in natürlicher Sprache zugreifen können. Mit BioGPT hat Microsoft ein auf der GPT-2-Architektur aufbauendes generatives Transformer-Sprachmodell entwickelt, das mit umfangreicher wissenschaftlicher Literatur der Biomedizin trainiert wurde. BioGPT ermöglicht die Analyse biomedizinischer Texte und die Extraktion relevanter Informationen für einen konkreten Anwendungsfall, etwa eine Infektion mit multiresistenten Erregern (MRE). Besonders für immungeschwächte Menschen sind MRE dann eine ernsthafte Bedrohung, wenn der Behandlungserfolg aufgrund von Resistenzen ausbleibt. Große Sprachmodelle in der Medizin können helfen, relevante Informationen über MRE zusammenzufassen, Hypothesen für die weitere Forschung zu formulieren, bei der Diagnostik zu unterstützen oder auch Therapiewege vorzuschlagen.

Patienten könnten auch ganz direkt von KI-Sprachmodellen profitieren: Im Krankenhaus wären sie nicht mehr allein auf das aus Zeitmangel häufig sehr kurze Arztgespräch angewiesen. Sie könnten zusätzlich einen Chatbot befragen, der die Informationen aus der persönlichen Krankenakte verständlich aufbereitet und in aller Ruhe Fragen beantwortet.  

Noch können sich Ärzte und Patienten auf die KI allein nicht verlassen. Grund sind sogenannte Halluzinationen, die bei generativer KI immer mal wieder vorkommen können. Das heißt, das Sprachmodell erzeugt Texte, die zwar plausibel erscheinen, aber teilweise oder komplett erfunden sind. Auch eine Therapieempfehlung zur Behandlung einer MRE-Infektion könnte die KI halluziniert haben. Hier braucht es noch die Einschätzung des Arztes, ob das Ergebnis tatsächlich richtig ist oder sich nur klug anhört.

Entwicklerplattform GitHub verfügbar ist. „Als Forscher haben wir hier die Möglichkeit, dieses Modell und andere, noch größere Open-Source-Modelle weiterzuentwickeln – für Forschungszwecke ebenso wie für unterschiedlichste Anwendungen, vorausgesetzt wir haben Zugriff auf eine entsprechend hohe Rechenleistung“, sagt L3S-Direktor Prof. Dr. Wolfgang Nejdl. Das neue KI-Servicezentrum für sensible und kritische Infrastrukturen (KISSKI), eines von nur vier KI-Servicezentren in Deutschland, bietet diese Rechenleistung speziell für Medizin und Energie an. Beide Bereiche weisen kritische und sensible Infrastrukturen auf und stellen hohe Ansprüche an den Einsatz von KI-Methoden. In Göttingen und Hannover entstehen zurzeit zwei dezentrale Cluster mit GPU-Systemen und innovativen Architekturen, die zudem KI-Services, Consulting und Schulungen anbieten.

Mit 17 Millionen Euro fördert das Bundesforschungsministerium das von der Universität Göttingen geleitete Projekt, an dem auch die Leibniz Universität Hannover mit dem L3S und dem LUIS, dem Rechenzentrum der Leibniz Universität, beteiligt ist. „Ein weiterer Ausbau ist notwendig, aber mit KISSKI haben wir einen weiteren wichtigen Schritt für domänen-spezifische Innovationen für und durch große Sprachmodelle „made in Germany“ gemacht“, sagt Nejdl.

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Wolfgang Nejdl ist Geschäftsführer des Forschungszentrums L3S