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Windenergie
Konfliktfrei planen
Wo sollen sich die vielen Windräder drehen, die Deutschland braucht, um bis 2045 treibhausgasneutral zu sein? Denn dieses Ziel hat sich die Bundesregierung gesetzt, um die Folgen des menschengemachten Klimawandels einzudämmen. Allerdings wird Windenergie schon seit Jahren weitaus weniger stark ausgebaut als dafür eigentlich nötig wäre. Die Gründe sind vielfältig: Sie reichen von mangelnder Akzeptanz für Windenergieanlagen (WEAs) in der Bevölkerung über Konflikte mit dem Natur- und Artenschutz bis hin zu Problemen mit Schall und Schattenwurf. Das Ergebnis: Es werden nicht genügend Potenzialflächen für den Bau neuer WEAs ausgewiesen und nicht selten verzögert sich der Bau bereits geplanter WEAs aufgrund langwieriger Klageverfahren.
In dem vom Bundesumweltministerium geförderten Projekt WindGISKI erforschen Wissenschaftler des L3S mit weiteren Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft, wie künstliche Intelligenz (KI) dabei helfen kann, neue konfliktarme Potenzialflächen zu finden. Eine der ersten Fragen, die sich die Forscherinnen und Forscher stellten: Welche Merkmale sind für die Bewertung von Flächen relevant und wie kommen wir effizient und flächendeckend an Daten aus ganz Deutschland? Da die Merkmale aus unterschiedlichen Bereichen kommen, war die Expertise des gesamten interdisziplinären Teams gefragt. Die Partner haben für die einzelnen Merkmale unterschiedliche Datenquellen genutzt: Sie haben zum Beispiel bei Ämtern angefragt, Klageverfahren ausgewertet, Experten befragt und Immissionssimulationen durchgeführt. Anschließend wurden die gewonnenen Daten in einem Geoinformationssystem (GIS) gesammelt. Damit die Datenqualität steigt, wird dieser GIS-Datensatz fortlaufend erweitert. Anhand dieser Daten trifft die KI Vorhersagen, die sich anschließend wieder mittels GIS auswerten lassen.
„Ein besonderes Problem ist das Fehlen einer messbaren Zielgröße,“ sagt Daniel Gritzner, der am L3S für die Entwicklung des KI-basierten Modells zur Vorhersage von Potenzialflächen verantwortlich ist. „Typischerweise trainiert man eine KI, indem man ihr immer wieder Positivbeispiele und Negativbeispiele zeigt. In diesem Fall eine schwierige Aufgabe, denn wir können dafür nicht einfach vorhandene Windparks und freie Flächen nehmen.“ Manche Windparks würde man aufgrund geänderter gesetzlicher Rahmenbedingungen so heute nicht mehr bauen. Sie eignen sich daher nicht als Positivbeispiel. Außerdem geht der Ansatz ja davon aus, dass es noch geeignete freie Flächen gibt. „Also ist nicht jede Fläche ohne Windpark ein Negativbeispiel. Und eigentlich wollen wir ja so etwas wie eine Bauprojekt-Realisierungsgeschwindigkeit oder -wahrscheinlichkeit als Zielgröße vorhersagen. Die lässt sich aber auch nicht flächendeckend ermitteln.“ Diese besondere Herausforderung wollen die Wissenschaftler nun mit ihrem Modell lösen.
Das mit KI-Vorhersagen angereicherte GIS soll Nutzer bei der Entscheidungsfindung unterstützen. Daher ist ein weiteres Ziel des Projekts, die KI-Vorhersagen für Branchenexperten, die ja meistens keine KI-Fachleute sind, nachvollziehbar zu machen. Den Forschern wurde auch früh klar, dass der Erfolg eines Windenergieprojektes zusätzlich von sozialen Faktoren wie der Akzeptanz der Bevölkerung abhängt. Eine begleitende Handreichung soll den GIS-Nutzern daher Möglichkeiten aufzeigen, Flächenausweisungen und Projekte möglichst sozial- und umweltverträglich zu realisieren.
Ein Auszug aus dem Norden Schleswig-Holsteins mit einem noch unvollständigen Datensatz. Aufgrund der schwierigen Ausgangslage für das Modelltraining schlägt die KI aktuell noch vor (cyan), vor allem bestehende Windparks (grün) zu vergrößern, statt neue Gebiete zu erschließen wie im Osten des Ausschnitts. Ungenutzte Flächen sind schwarz; bei roten Flächen liegt ein hartes Ausschlusskriterium vor, zum Beispiel Wohngebäude.
Kontakt
Prof. Dr.-Ing. Jörn Ostermann
Jörn Ostermann ist Mitglied des L3S und leitet das Institut für Informationsverarbeitung der LUH. Er forscht auf dem Gebiet der Signalverarbeitung mit Fokus auf Video-, Sequenzierungs- und Audiodaten.
Dipl.-Inf. Daniel Gritzner
Daniel Gritzner ist Doktorand am Institut für Informationsverarbeitung. Neben seiner Arbeit in WindGISKI forscht er noch im Bereich der semantischen Segmentierung von Luft- und Satellitenbildern.