Die Pilotstudien werden auf der Learnweb-Plattform durchgeführt, die als Benutzeroberfläche für die Schüler dient und von L3S-Doktorand Oleh Astappiev entwickelt wurde.
Informelle Bildung
Wie KI das Bewusstsein für die Klimakrise fördern kann
Welche Auswirkungen haben die sozialen Medien auf die Wahrnehmung wissenschaftlicher Themen wie dem Klimawandel? Und damit auf den gesellschaftlichen Diskurs? Im Projekt Social Media and Climate Change (SoMeCliCs) untersuchen Wissenschaftler des L3S und des Instituts für Didaktik der Naturwissenschaften (IDN) der Leibniz Universität Hannover aus wissenschaftspädagogischer Sicht, wie der Klimawandel in den sozialen Medien thematisiert wird.
Insbesondere für junge Menschen sind soziale Medien als informelle Lernumgebung eine wesentliche Informationsquelle. Zum Klimawandel und anderen komplexen Themen werden die Nutzer aber nicht nur mit gesichertem Wissen konfrontiert. Die sozialen Medien sind auch Orte der Desinformation. Wissenschaftliche Fakten über den Klimawandel werden dort offen geleugnet. In Echokammern und Filterblasen bestärken sich Menschen gegenseitig in dieser Haltung. Wenn Millionen Nutzer den Fehlinformationen von Klimawandelleugnern Glauben schenken, hat das Einfluss auf die öffentliche Meinung und der Rückhalt für dringend notwendige Klimaschutzmaßnahmen schwindet. „Unser Team ist überzeugt, dass KI dazu beitragen kann, unsere Jugend über den Klimawandel aufzuklären, das Bewusstsein zu schärfen und schlimmere Folgen in naher Zukunft zu verhindern“, sagt Dr. Marco Fisichella, der das L3S-Team von SoMeCliCs gemeinsam mit Dr. Ivana Marenzi leitet.
Pilotstudien mit Schülern
Mit Schülern der neunten Klasse der IGS List haben die SoMeCliCs-Forscher mehrere KI-gestützte Pilotstudien durchgeführt, um zu verstehen, wie junge Menschen das Thema Klimawandel auf Social Media wahrnehmen. „Wir haben untersucht, wie die Schüler auf YouTube nach Informationen zum Klimawandel suchen. Außerdem wollten wir wissen, welche Einstellung sie zu diesem Thema haben. Deshalb sollten die Schüler Tweets zum Klimawandel in Bezug auf Haltung und Stimmungslage bewerten,“ sagt Apoorva Upadhyaya, Doktorandin am L3S. Die Ergebnisse haben die Wissenschaftler erstaunt. Die Pilotstudie zeigt, dass die YouTube-Präferenzen der Schüler sehr unterschiedlich sind: Während die einen sich für Klimawandel-Videos aus glaubwürdigen Quellen entschieden, suchten andere nach Inhalten, die den Klimawandel leugnen. Außerdem neigten die Schüler dazu, die wahrgenommenen Informationen aus den Videos auf der Grundlage ihres vorhandenen Wissens, ihrer Überzeugungen und ihrer Vorurteile über den Klimawandel zu kategorisieren.
Durch die Zusammenarbeit mit den Schülern der IGS haben die Wissenschaftler einen tiefen Einblick in die Interaktionen und Perspektiven junger Menschen auf den Klimawandel gewonnen. „Die Ergebnisse dieser Studien tragen dazu bei, unsere Kenntnisse darüber zu erweitern, wie sich junge Menschen auf YouTube über den Klimawandel informieren und wie dies ihre Ansichten und Einstellungen beeinflusst,“ sagt Upadhyaya. Dr. Ivana Marenzi weist auf ein weiteres Ergebnis der Pilotstudie hin: Es zeigte sich, dass die Schüler keine Schwierigkeiten hatten, Ironie oder Sarkasmus in Tweets zum Klimawandel zu verstehen − im Gegensatz zum KI-System.
Oleh Astappiev, Dr. Marco Fisichella und Dr. Ivana Marenzi vom L3S führen zusammen mit der Klassenlehrerin an der IGS List Pilotstudien mit Schülern der neunten Klasse durch.
KI erkennt Haltung in Tweets
Um Tweets nach der in ihnen geäußerten Haltung zum Klimawandel in drei Kategorien (glauben, verleugnen oder unklar) einordnen zu können, hat das Team des L3S KI-Modelle im Bereich der natürlichen Sprachverarbeitung und des Deep Learning entwickelt. Der Zweck der Klassifizierung: In den stark polarisierenden Diskussionen auf X (vormals Twitter) könnten Tweets, die Fehl- und Desinformation enthalten, als solche identifiziert werden und damit zur Verbesserung der Diskussionskultur über den Klimawandel beitragen. Die KI-Methoden zur Erkennung von Haltungen zum Klimawandel in Twitter-Daten wurden bereits auf renommierten Informatik-Konferenzen vorgestellt.
Die Integration von KI in die informelle Klimabildung eröffnet eine neue Perspektive im Kampf gegen den Klimawandel. „Am L3S setzen wir KI ein, um die Kluft zwischen wissenschaftlichem Wissen und gesellschaftlichem Bewusstsein zu verringern. Unser Ziel sind gut informierte und engagierte Bürger, die sich für die Bewältigung der Klimakrise einsetzen. In der Bekämpfung des Klimawandels ist Wissen tatsächlich Macht, und Projekte wie SoMeCliCs zeigen den Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft auf“, sagt Upadhyaya.
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Apoorva Upadhyaya
Apoorva Upadhyaya ist Doktorandin im Projekt SoMeClics am L3S. Sie beschäftigt sich in ihrer Forschung mit der Analyse sozialer Netzwerke und deren Auswirkungen auf Themen wie Klimawandel, Gewalt und Naturkatastrophen.