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Auf dem Weg zur digitalen Hochschule
Über die Digitalisierung der Hochschulen wird seit vielen Jahren geredet, aber passiert ist gerade in Europa und auch in Deutschland nur wenig. Nun hat die Corona-Pandemie den Prozess beschleunigt, denn Präsenzlehre ist kaum noch möglich.
Eines der Leuchtturmprojekte, die die Digitalisierung der Hochschulen vorantreiben, ist der KI-Campus des Stifterverbandes. Gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung bietet der KI-Campus seit Mitte 2020 die ersten Massive Open Online Courses, kurz MOOCs, an, so wie sie schon von den großen amerikanischen Plattformen wie Coursera oder Udacity bekannt sind. MOOCs ermöglichen einer Vielzahl von Interessierten, sich unabhängig von Ort und Zeit nach ihren eigenen Bedürfnissen weiterzubilden. Im Gegensatz zu den amerikanischen Plattformen befindet sich der KI-Campus zwar noch im Aufbau, bietet dafür aber völlige Offenheit. Das heißt: keine Teilnahmegebühren und alle Kursmaterialien sind unter CC-Lizenzen frei nutzbar - gemäß den deutschen Idealen des freien Zugangs zu Bildung und der Transparenz.
L3S-Mitglied Prof. Dr. Marius Lindauer und sein Team von der Leibniz Universität Hannover bieten auf dem KI-Campus einen Kurs zu Automated Machine Learning (AutoML) an - und stehen dabei vor ganz neuen Herausforderungen: Zum Beispiel sollten Videos nur wenige Minuten lang sein und mit ausreichend Interaktionsmöglichkeiten angereichert werden, um digitaler Müdigkeit entgegenzuwirken. Für eine optimale Lehre müssen klassische Lehrmaterialien aus Vorlesungen also komplett neu konzipiert werden. Prof. Lindauer setzt auf interaktive, gamifizierte Multiple-Choice-Quizze und automatisch kontrollierbare Programmieraufgaben.
MOOCs erfreuen sich international stetig wachsender Beliebtheit. So belegten in den letzten Jahren fast vier Millionen Menschen den MOOC zu maschinellem Lernen von Prof. Andrew Ng, Informatik-Professor in Stanford und MOOC-Pionier. Auch Unternehmen nutzen verstärkt MOOCs, um ihre Mitarbeiter fortzubilden. Und immer mehr Studierende, Berufseinsteiger und Arbeitnehmer erkennen, dass MOOCs nicht allein dazu dienen, sich Fachwissen anzueignen oder auf den neuesten Stand zu bringen. Insbesondere im KI-Umfeld erhöhen sie auch die Chancen auf hochqualifizierte Jobs in Unternehmen.
Trotz aller Vorteile von MOOCs ist eine zentrale Erkenntnis der Corona-Krise, dass Menschen die direkte Interaktion mit anderen suchen und die rein virtuelle Bildung ein Gespräch von Mensch zu Mensch nicht ersetzen kann. Gute und erfolgreiche Lehre findet immer im Dialog mit den Lernenden statt. Daher bleibt es unvorstellbar, die traditionelle Hochschule als Ort der Bildung vollständig durch digitale Angebote zu ersetzen.
Ein Erfolgskonzept verspricht die Kombination aus Präsenzlehre und digitalen Lernmaterialien zu werden. Prof. Lindauer zeigt in seinem Kurs, dass MOOCs die Möglichkeit bieten, Expertise aus vielen Hochschulen zu bündeln und damit die Qualität des Lernstoffes auf ein neues Niveau zu heben. Denn er ist nicht der einzige Dozent. Auch Kollegen der Universität Freiburg, der Ludwig-Maximilians-Universität München und der University of Wyoming (USA) vermitteln die Lerninhalte des Kurses. Die Studierenden der Leibniz Universität Hannover erhalten damit das Beste aus beiden Welten: digitales, standortübergreifendes Lernmaterial kombiniert mit persönlicher Betreuung vor Ort. So stellen sich Prof. Lindauer und sein Team die Zukunft der hybriden Hochschullehre vor.
Kontakt
Prof. Dr. Marius Lindauer
L3S-Mitglied Marius Lindauer ist Professor für maschinelles Lernen am Institut für Informationsverarbeitung der Leibniz Universität Hannover. Er forscht unter anderem zum automatisierten maschinellen Lernen, das die Anwendung von KI vereinfachen soll.